Ein Vortrag von Stauffenbergs Enkel

Zwischen die Schüler sollten wir uns setzen, um frühzeitig bei disziniplen Auffälligkeiten zu intervenieren. Zu unser aller Erstaunen saßen auch die kreativsten Rabauken zwei Stunden lang friedlich auf ihren Stühlen. Am Tag vorher versuchte ich noch, den Siebtklässern wenigsten einen kurzen Abriss zum Attentat auf Hitler und die Zeit des Nationalsozialismus zu verklickern, ein kühner Sprung vom Leben der Ritter zu einem 1000 Jahre später lebenden Grafen und seinen vortragenden Enkel. Dieser sprach eine Stunde lang frei und die Schüler:innen auch immer wieder an, zog Vergleiche, die sie verstehen konnten. Ich schrieb fleißig mit, füllte einige Seiten, zwei Kollegen filmten auch, die „Prominenz“ in den ersten Reihen (Bürgermeister, Schulamtsträger, Reporter, Ministeriale…) nickte wissend. Jetzt, ein paar Tage später, hatte meine anfängliche Begeisterung Gelegenheit. sich etwas zu setzen. Also liste ich hier meine Auffälligkeiten auf, lasse auch Schüler:innen meinen und ganz viel weg.

  • Die Schüler:innen immer wieder zu verschiedenen Fragestellungen aufstehen zu lassen, fand ich einen guten Trick um Aufmerksamkeit. Sie selbst fanden es seltsam und peinlich. Besonders, als es um die Zahl der Kinder ging, die sie kriegen würden) Den Zusammenhang zu dem, worauf er hinauswollte, wurde oft nicht deutlich.
  • Ein freier Vortrag ohne jegliche Medien zur Illustration ist möglich.
  • „Es ist nicht schlimm, wenn ich mit dir rede. Morgens komme ich ein bisschen streng rüber, aber nachmittags bin ich ganz verträglich“
  • Das Thema war: Freiheit, Demokratie, Verantwortung , Vortragender: Karl Graf Stauffenberg – leider wussten nur 2 eingeweihte Personen lange genug davon, ich kam mir dumm vor, vorher nicht gut informiert gewesen zu sein.
  • Versailler Vertrag, Weimarer Republik, Demokratie, Gebietsabtrennungen, absolute Mehrheit, Inflation, Wirtschaftskrise, Bolschwismus, Reichswehr, und der geschichtlichen Begriffe mehr gehen an den meisten Reglschülern einfach vorbei
  • „Anfang des 20 Jahrhunderts war der Adel noch was wert.“ (Ich konnte keine Ironie, keine Distanz erkennen)
  • „Demokratische Parteien wollten keinen russischen Bolschewismus, also beschlossen sie, Adolf Hitler zu wählen,“ (boah, das kann man aber auch differenzierter sehen)
  • „Polenfeldzug“ „für mehr Lebensraum“ (Gesprochen ohne Anführungszeichen, Nazibegriffe ohne erkennbare Distanz verwendet)
  • „Mein Großvater war als Soldat mittendrin dabei, Das war sein Beruf. “ (Wie jetzt, einfache Soldat? Ne, ne)
  • er werde oft gefragt, warum das Attentat so spät versucht wurde – erst Jetzt hatte er die Möglichkeit, an Lagebesprechungen teilzunehmen, Zugang zu Hitler
  • „60% der Deutschen glaubten damals noch an den Endsieg“
  • „Für die Leute vom 20. Juli konnte es nur schlecht ausgehen: Verräter oder Arschlöcher, wegen denen der Krieg verloren ging“
  • „Was hat das mit euch zu tun?“ „Das Leben, das wir führen, ist das normal? Eine Art Naturgesetz?“
  • Verantwortungsübernahme für Einzelne, ein Land, einen Kontinent, die Welt.
  • „ideologistische Gründe“ (mindestens zweimal verwendete er dieses nicht existierende Wort)
  • „Freiheit brauch Mut zur Verantwortung“ war sein Schlusssatz später: „Eine Regierung kann nicht alles Unheil von uns fernhalten, sondern nur den Rahmen bilden, in dem wir uns bewegen“ (Ich kann mich mit der FDP nicht wirklich anfreunden)
  • „So, ich hoffe, ihr habt heute viel von den Dingen in Deutschland gelernt…. Es sind genau die Dinge, die wir in vielen Sachen angesprochen haben“ (aus der Dankes“rede“)
  • „Ein Blick in die Gesichter der N. Regelschüler verrät, das sie darüber nachdenken, wie es wäre, wenn man ihnen Frieden, Freiheit und Demokratie wegnehmen würde.“ (Zeitungsartikel am nächsten Tag)
  • „Wir durften nicht aufs Klo, die Zehntklässler schon“
  • „Ich habe mich gelangweilt gefühlt, weil ich nicht so viel verstanden habe.“
  • „Ich habe nur darüber nachgedacht, wann es endlich vorbei ist.“
  • „Er will us was won Politik erzählen und geht dann erst mal eine Rauchen Auf dem Schulhof.“
  • „Das der Bürgermeister am Handy war, ist nicht OK“ (War auf Zeitungsfoto deutlich zu sehen)
  • „Ich würde mir ein Thema wünschen, dass wir auch schon verstehen.“

Ich wollte mir später sein Buchbestellen doch nachdem ich die Einleitung gelesen hatte, nahm ich davon Abstand. Auch schaute ich mich auf seinen diversen Seiten um und denen der Stiftung. Nicht meine Welt. Interessant: Er lobte ja unsere Schule als „Einzigartig“, dass hätte es so noch nie erlebt. Der Stolz führte fast zum Platzen. Doch sicher sagt er das überall, am nächsten Tag in zwei Schulen im Süden Thüringens, vorher an unzähligen anderen.

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