Die Übergabe ist vereinbart. Ich nehme das Kätzchen mit zur Schule, dort wird sie gleich abgeholt und fährt in ihr neues Zuhause. Bei dieser Hitze soll sie nicht so lange aufhalten, im vergitterten Körbchen.
Die Nacht hindurch hat sich Kätzchen ruhig verhalten, wir haben sie nicht gehört. Na gut, sie war im Keller und wir in der zweiten Etage. Jedenfalls bringe ich ihr vor der Abfahrt am frühen Morgen ein wenig Futter und will die nassen Zellstofftücher im Korb gegen frische, trockene austauschen. Zum Glück habe ich vorher die Tür geschlossen, denn die Katze flitzte los, über meine Hände und meinen Kopf. Wir sind ganz schön erschrocken. Nun begann die wilde Jagd. Diese kleine Katze springt einen Meter hoch, an den Fliesen! Sobald ich zugreifen wollte, war sie wieder woanders. Sie verschwand hinter dem Waschbeckenschrank, ich rückte ihn weg. Sie hüpfte wie wild in der Dusche umher, ich schloss die Türen. Schließlich quetschte sie sich unter das Schränkchen und ich nutzte die Gelegenheit, zog mir Handschuhe an und bewaffnete mich mit einem großen Handtuch. Das muss furchterregend ausgesehen habe, denn schon nach weiteren 10 Minuten Hatz nutzte sie ihren einzig verbliebenen Fluchtweg in das Körbchen.
Mein Kleid musste nun wieder gerichtet werden. Was stinkt denn so? Bin ich das? Riecht ja echt ätzend, so ein Angstpullerchen, besonders, wenn es großzügig verteilt wurde. Das der Katze, wohlgemerkt. Schnell umziehen, dann los.
Ich stellte das Körbchen auf die Beifahrerseite, in den Fußraum. Die 45 Minuten Fahrt verging wie im Flug, da wir uns unterhalten haben. Ich schilderte der Wilden Hilde (neuer Arbeitstitel) ihre neue Familie und ihr neues Zuhause in den schillerndsten Farben. Sie antworte jedes Mal, anklagend, laut, herzzerreißend. Dabei lag sie mit dem Hinterteil im Fressnapf, mit dem Köpfchen zwischen den Gitterstäben, die Augen angstgeweitet. Die letzten Kilometer heulten wir zusammen.
Das neue Herrchen wartete schon mit einem praktischen Katzentransportkorb, festgeschnallt auf dem Gepäckträger. Per Fahrrad und Zug sollte es „nach Hause“ gehen. Doch wie sollte die Katze von meinem Korb in diesen gelangen? „Ach, die packe ich am Genick, das geht schon!“ Ich erzählte vom morgendlichen Fluchtversuch, äußerte meine Bedenken am Plan und meine Sorge des Verschwindens der Katze hier auf dem Parkplatz.
Also gab ich zu der Katze auch noch mein Auto dazu, welches ich dann aber wiederhaben wollte. Besonders eilig war dies zum Glück nicht, denn ich hatte einen langen Tag.
Das Kätzchen verschwand übrigens nach seiner Befreiung in der neuheimatlichen Küche als erstes hinter den Schränken und scheint jetzt da zu wohnen. Es gibt wohl einen Zwischenraum in Nähe des Schornsteins. Am nächsten Tag waren schwarze Tapsen auf dem Fußboden zu sehen, also kommt sie raus, nachts, wenn alles schläft.
Meine Kratzer an den Arme sind inzwischen verheilt, die Sorge um das Wohlergehen und das Voranschreiten der Zähmungsversuche bleibt. Auch die Nachbarn, die die Katzenherde betreuten, erkundigen sich stets nach der kleinen Katze. Ein Geschwisterchen hat hier im Dorf Adoptiveltern gefunden, diese versuchen auch, es unter den Schränken hervorzulocken. Zwei Kätzchen genießen ihre Freiheit in Nachbarsgarten noch, sicherheitshalber lassen sie sich nur sehen, wenn wirklich niemand in der Nähe ist.
Unsere Katze, die sich so feindselig gegenüber der kleinen Katze im Korb verhielt, schnupperte sehr ausführlich und in Hab-acht-Stellung im Gästeklo, was da so los war. Daraufhin putzte ich dieses ausgiebig und mit Chlorix. War nicht nur Angtspullerchen.