In der Kiste liegen unzählige Fotos, Urkunden und Briefe meiner Familie väterlichseits, aus dem vorigen Jahrhundert. Leider kann ich die meisten Verwandtschaft- und Vorfahrenszusammenhänge nicht mehr nachvollziehen. Ich habe mich noch nicht entschieden, wie ich sie am besten aufbewahren kann, will aber hier einige abschreiben. Ich fange mit einem Brief vom 11 Dezember 1918 an. Es ist eine Kopie eines mit Schreibmaschine geschriebenen, dreiseitigen Briefes, oben leinks steht mit Bleistift: Edmund Fr Onkel
Sehr geehrter Herr Friedrich! den 11. Dezember 1918
Wenn Sie dieses Schreiben erhalten werden, bitte ich Sie gütigst berücksichtigen zu wollen, dass der 11. November 1918 der Wendepunkt der Geschichte unseres Vaterlandes war, sodass ich erst heute in der Lage bin, bestimmt darauf zu rechnen, dass Sie dieser Brief erreicht.
Mit dem 11. Novembersteckte unser Regiment 20 und in ihm die 7. Komp., die an diesem Tage in vorderster Linie lag, nach einem äusserst heftigen, aber günstigen Gefecht mit den Amerikanern in Ehren das Schwert in die Scheide. Die Feindseligkeiten waren nun eingestellt; ernsten Blickes standen wir nun dem Gegner gegenüber; hocherhobenen Hauptes waren wir alle, wussten wir uns doch unbesiegt mit dem besonders starken Gefühl der persönlichen Ueberlegenheit nach dem letzten Gefecht. Der allgemeinen Uebermacht mussten wir weichen: Eine bittere Tatsache, doch auch sie mussten wir hinnehmen, die uns der Krieg in so manche bittere Lage hineingewöhnt hatte.
Aber ein drücke doch unser aller Herz: Etwa 2 Stunden vor dem Beginn des Waffenstillstandes – die Amerikaner griffen unentwegt mit sehr starken Kräften bis 12.00 Uhr an, traf gegen 10.00 Uhr vorm. unseren Kriegsfreiwilligen Friedrich, Ihrem Sohn, eine tötliche Kugel, Er lag mit einem Maschinengewehr auf einem vorgeschobenen Posten, wo er dem Angriff abwehrte. Ein Infantriegeschoss drang ihm durch die Brust und setzte sogleich seinem jungen Leben ein Ende. Es sollte ihm nicht mehr vergönnt sein nach getaner Pflicht zu den Seinen zurückzukehren. Er, der freiwillig hinauszog die Heimat und die Seinen zu schützen, er hat diese Pflichterfüllung auch in Angesicht des zu erwartenden Waffenstillstandes bis zur letzten Minute, bis zum letzten Atemhauch gewahrt und sie mit dem Heldentod besiegelt. So stehe wir stumm in Bewunderung vor ein Helden, der in unser aller Erinnerung fortleben wird, der mit sein Heldentode der Mit- und Nachwelt zeigt, wie das Inf.Regt. Graf Tauentzien 20 und in ihm die 7. Kompagnie auch bis zur letzten Minute die Ehre des Regiments wahrten, den anstürmenden Gegner blutig abwieg und die eigenen Stellung restlos behauptete.
Bis zum 12. Novembermorgens früh blieben wir noch in der ersten Linie, um dann den Rückmarsch anzutreten. Zuvor aber wollten wir noch Ihren Sohn zur Ruhe betten. Am Nordrand von Hermèville (liegt südöstlich von Etain-Verdunfront) war eine eingesäumte Grabstätte. Zwei Soldaten waren dort bereits beerdigt: links Mus. Müller vom Inf.Regt 158, rechts Gefr. Spatz vom Infte. Regt.191. In der Mitte war noch eine Grabstelle frei, die wir Ihrem Sohn berichteten, Eine ganze Kompagnie war zugegen, Sie war uns allen ein weher Gedanke, ihn nun zurücklassen zu müssen. Nun, er hat auf dem Boden, auf dem er schritt, sein Alles einsetzte, seine Ruhestätte gefunden. Leider hatte ich keinen photographischen Apparat zur Stelle, sonst hätte ich Ihnen die Grabstätte im Bilde schicken können. Ein Kranz mit Namen, Regt. und Todestag fertigten seine Kameraden noch an, sodass das Grab jedem kenntlich ist. Nun zogen wir von dannen. Jedem, der dabei war, wird es unvergesslich bleiben, die Beerdigung unseres letzten Toden, Ihres gefallenen Sohnes.
Nehmen Sie uns Ihre Familie der Kompagnie und meine besondere Teilnahme zu den schmerzlichen Verlust Ihres Sohnes, zu der herben Enttäuschung, nachdem nun der heftige Waffengang beendigt. Ihren sehnlichste erwarteten Sohn u. Bruder nicht unter den Heimkehrenden zu finden, Wie kann ich Ihren Schwerz verstehen: Auch ich liess einen Bruder in fFankreichs Erde! Wie bitter wird mirs, Ihnen diese Nachricht jetzt geben zu müssen, nachdem sich Ihrer Aller Wiedersehensfreude während eines ganzen Monats auf das Höchstmass gesteigert hat .Ich konnte leider nicht anders. Seit dem 12. November sind wie auf dem Rückmarsch, den wir zur Hauptsache in langen Tagesmärschen zurück legen mussten.
Möge Ihnen der Gedanke Trost sprechen. dass Ihr Sohn seine Heimat vor Kriegsgreulen und Einfall der Feinde schützen wollte. das ist ihm gelungen: Er gab alles dafür hin, selbst sein Leben.
Er lebt unter uns fort!
Mit stillem Grusse
Leutnant der Res. Gittart; Kompagnieführer der 7. Komp. ; Inftr, – Regt. 20.
Das ist ja ein krasser Dachbodenfund
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